Kurt Kaun: EINE ERFÜLLTE ZEIT

Meinen Erfolg im Leben verdanke ich vor allem meinem Vertrauen in Menschen und der Fähigkeit beziehungsweise dem Bemühen, in anderen Vertrauen zu mir zu wecken – für mich ein wesentlicher Faktor im Geschäftsleben. Obwohl mein Betrieb expandierte, arbeitete ich immer, wenn es notwendig war, noch in der Werkstatt mit und trug wie alle Vorarbeiter stets einen grauen Mantel und einen Hut zum Schutz gegen den Staub. Einmal arbeitete ich gerade an der Abrichtmaschine, als mir ein Vertreter auf die Schulter klopfte und fragte: „Sind Sie der Werkmeister? Ihr Chef war leider nicht im Büro.“ Ich bejahte, woraufhin er meinte: „Ich habe gehört, ihr habt schon schöne große Aufträge. Sagen Sie doch mal Ihrem Chef, wir hätten da ein Zusatzprodukt, das er mit anbieten könnte, wenn er Fenster verkauft: Deckenkarniesen von der Firma Leha aus Eferding.“ Ich gab mich immer noch nicht zu erkennen und meinte nur: „Nicht uninteressant.“ Der Vertreter reichte mir einen Prospekt und schlug vor: „Reden Sie mit Ihrem Chef! Wenn es etwas wird, kriegen Sie fünf Prozent Provision. Geben Sie mir einfach Ihre Kontonummer.“

Ein paar Tage später rief ich den Herrn an und machte einen Termin aus, an dem ich ihn dann, korrekt im Anzug mit Krawatte und ohne Hut, in meinem Büro empfing. Er erkannte mich nicht. Das Produkt gefiel mir. Wir verhandelten um einen Rahmenauftrag von tausend Laufmetern, ein ansehnliches Volumen für damalige Verhältnisse. Natürlich versuchte ich, den Preis zu drücken, so weit es nur ging – auch der Vertreter kämpfte hart, und nach einigem Verhandeln stand eine Summe auf dem Zettel. Ich weiß es noch wie heute, dass ich darunter schrieb: minus drei, minus fünf, minus drei Prozent. Mit gerunzelter Stirn schaute er mich an: „Was soll das?“ „Ganz einfach“, meinte ich, „ich zahle bar, macht drei Prozent Skonto. Noch einmal fünf Prozent, weil ich zugleich auch der Werkmeister bin. Und drei Prozent sind die Strafe, weil Sie mich als Werkmeister bestechen wollten. Wenn Sie jetzt immer noch wollen, unterschreiben Sie, dann ist alles vergessen und wir machen gute Geschäfte.“

Er unterschrieb, und in der Folge blieb ich fünf oder sechs Jahre lang der beste Verkäufer vonLeha-Produkten und bekam jeweils einen Vierfach-Dukaten als Anerkennung.

Dieses Erlebnis machte mich sehr sensibel. Regelmäßig beschäftigte ich mich mit der Frage: Wie kontrolliere ich den Einkauf? Als ich später vor Jungunternehmern Vorträge hielt, erzählte ich immer gern meine Geschichte vom Leha-Vertreter, weil sie anschaulich vermittelt, dass es darauf ankommt, eine gute Einkaufsstrategie zu entwickeln, wobei es am besten ist, zwei Lieferanten für ein und dasselbe Produkt zu haben.

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